Nun ist es beschlossene Sache: die erste Erzählbank wird in Kerzlin stehen. Da der Ortsvorsteher von Kerzlin, Pascal Rohrmoser, sich als allererster Interessent für einen Erzählnachmittag im Amt Temnitz gemeldet hat, wird die erste Bank auch dort vor dem Kriegerdenkmal bei der Kirche von Kerzlin stehen. Eine weitere wird es am Dorfgemeinschaftshaus geben. Wir haben die TH-Brandenburg für eine Zusammenarbeit gewinnen können: Sie filmt den Erzählnachmittag am 8. Mai in Kerzlin und bearbeitet ihn anschließend professionell zu einem Beitrag. Dieser wird mit dem QR-Code verknüpft, der auf der Bank angebracht werden wird. So entsteht eine Bank auf der man sich die Erzählungen aus dem Dorf anhören kann, eine Erzählbank.

Am 8. Mai 2023 war es also so weit – hier nun der Bericht vom ersten Erzählnachmittag in Kerzlin:

Das Dorfgemeinschaftshaus ist an diesem Nachmittag voll mit Kerzlinern, die älteste Anwesende ist Mitte neunzig, der Jüngste Mitte zwanzig, er filmt die Erzählungen. Gemeinsam fangen wir an, uns an Kerzlin zu erinnern, wie es früher gewesen ist. Die Erinnerung reicht an diesem Nachmittag 90 Jahre zurück in die dreißiger Jahre als „wir Kinder“ bei Schneesturm morgens hinter dem Pferdefuhrwerk Schutz suchten, das die Milch abholte. Bis zur Schule nach Wildberg zum Unterricht liefen die Kinder auf verschneiten Straße hinter ihm her. Da gab es keinen Bus und niemanden, der Kinder zur Schule brachte und abholte, sie sind immer gelaufen. Auch die Ferien waren anders. „Verreist sind wir nie. Wir haben in der Temnitz gebadet und dort von den älteren Kindern schwimmen gelernt.“

Und so geht es fast vier Stunden weiter. Da taucht eine ganz andere, eine untergegangene Welt vor den Zuhörern wieder auf: Von den vierziger Jahren, als die Russen kamen und die Flüchtlinge das Dorf fast verdoppelten; von den fünfziger Jahren, als die Bodenreform die Bauern in die LPGs und VEBs zwang; vom Leben auf dem Land mit 8000 Schweinen und 1700 Stück Milchvieh. „Und was haben wir gefeiert und getanzt!“ Viel ist von Festen die Rede und der aktiven freiwilligen Feuerwehr, davon wie man in der Tauschwirtschaft Häuser baute und von Kittelschürzen und Dauerwellen. Und schließlich auch davon, wie die Enteignungen der Bodenreform nach der Wende wieder entschädigt oder rückgängig gemacht werden mussten. Kerzlin hat sich natürlich verändert, aber der Zusammenhalt, so scheint es an diesem Nachmittag, ist über die Jahrzehnte immer gut geblieben.

Schon bald können Sie sich die Kerzliner Geschichten ganz bequem anhören. Das Material wird jetzt bearbeitet und gekürzt und dann ist es mithilfe eines QR-Codes abrufbar. Dieser QR-Code wird sich auf zwei Bänken finden: Am Dorfgemeinschaftshaus in Kerzlin und an der Kirche vor dem Kriegerdenkmal.

Hätten Sie Lust, auch in Ihrem Dorf einen Erzählnachmittag zu gestalten? Hätten Sie Lust selbst zu filmen und die Filme auch zu bearbeiten? Dann melden Sie sich doch bitte bei unserer Netzwerkkoordinatorin: 015140763034.

So sollen konkrete Erinnerungen auf Bänken zugänglich werden, durch QR-Code gescannt, sie sollen vom Freud und Leid vergangener Tage berichten und uns Jüngere, Einheimische und Touristen, die Gegenwart dieses besonderen Ortes, an dem diese Bank steht, mit anderen Augen betrachten lassen.

Da wir von der Fachstelle für Pflege im Quartier (FAPIQ) den Zuschlag für eine Förderung dieses Projektes bekommen haben, haben wir noch Gelder zur Verfügung für weitere Erzählbänke im Amt Temnitz. Und das Geld reicht auch, um nach den ersten Erfahrungen, die wir jetzt in Kerzlin gesammelt haben, ein semiprofessionelles Aufnahme-Kit zu kaufen, damit wir auch selbst filmen können. Also nur zu!

Hier finden Sie alle Infos zum ersten Erzählnachmittag in Kerzlin am 8. Mai 2023: zur Veranstaltung

Lust mitzuwirken? Mehr Infos gibt´s bei Julia von Grünberg: engagement@zukunft-t.de